Wasser als Bühne und Inspiration

Magische Orte als Quelle für besondere Stimmungen und scheene Musi

27. Juli 2025

Lesezeit: 5 Minute(n)

Text: Dorothea M. Hutterer Fotos: gwt Starnberg GmbH / Thomas Marufke, Stefan Stimpfle, Pexels, Pixbay, Seehof

Jeder, der Musi spuid kennt sie, diese Orte, an denen es einfach besonders ist. Und ich glaube, dass jeder dieser Musikanten, das Gspür dafür hat. Oft kann man es auch gar nicht genau festmachen, woran es liegt, dass ein Ort eine besondere Atmosphäre hat. Und mit dieser Atmosphäre, meinen wir jetzt mal nicht die gasförmige Hülle um unseren wunderbaren Wasserplaneten Erde. Diese Atmosphäre ist auch nicht mit Stimmung gleichzusetzen, dieser Melange aus Ich- und Weltgefühl die uns alle oft durch besondere Momente trägt. Vielmehr ist es die Atmosphäre, die diese Stimmung prägt, also das Unpersönliche, die gebauten Strukturen und die Kulturlandschaft um uns herum, die Einfluss nehmen auf unser Gspür für genau den Moment, in dem wir zum Beispiel Musi spuin oder anderen zuhören dürfen. Zahlreiche Wasser-Standorte sind im übertragenen Sinne solche Stimmungsmacher. Das Wasser in seiner stetigen Bewegung erzeugt von sich aus unterschiedliche Klangkulissen, die seit Jahrhunderten als Inspirationsquelle dienen. Das Volkslied strotzt nahezu von rauschenden Bächen, reißenden Strömen und stillliegenden Seen. Zahlreiche Wassermusiken aus unterschiedlichen Jahrhunderten zeugen von der atmosphärischen Wirkung des Wassers und die Übertragung in einen eigenen musikalischen Ausdruck im jeweiligen Stil der Zeit.

Postkartenidylle am Starnberger See

Bayerische Seen als Bühne und Inspirationsquelle

Der Starnberger See diente als Bühne kurfürstlicher Inszenierungen, barocker Prunk zierte ihn und italienisch inspirierte Hofmusiken schallten vom Prunkschiff Buccentoro über den See. Wie weit die Zither-Klänge von Herzog Max in Bayern über das Wasser getragen wurden, lässt sich nur vermuten. Selbst wenn es weniger prunkvoll war, so waren es gewiss geselligere Zusammenkünfte in Possenhofen als in von Etikette geprägten Herrscherkreisen auf dem Wasser. Bekanntermaßen hatte Herzog Max Noten von Richard Wagner auf dem Klavier stehen – der spätere König Ludwig II. machte so erste Bekanntschaft mit dem Werk des später verehrten Richard Wagner. Auch dessen Wege führten ihn immer wieder an den Starnberger See, ebenso wie namhafte Komponistenkollegen vor und nach ihm: Carl Maria von Weber, Johannes Brahms, Max Reger und Richard Strauss ließen sich vom Starnberger See inspirieren oder wählten zeitweise ihren Wohnsitz hier. Der Ammersee diente Carl Orff zur Verwirklichung vieler seiner musikalischen Ideen. Weitere bayerische Seen und musikalische Größen könnte man ergänzen, denn jahrhundertelang wählten anerkannte Komponisten regelmäßig Wasser-Orte und Wasser-Themen als ihre Wirkungskreise.

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Postkarte um 1910: »›Bucentaur‹ einstiges Prachtschiff des Kurfürsten Ferdinand Maria am Starnberger See. Erbaut im Jahre 1663 nach dem Vorbild der venetianischen Staatsgondel.«

Aber seien wir mal ehrlich: der Faszination die von einer Landschaft mit fließenden oder stehenden, ursprünglich sprudelnden, langsam fließenden oder aufgepeitschten Gewässern ausgehen, kann sich kaum jemand entziehen. Tageszeiten und Jahreszeiten tun ihr Übriges, um den stetigen Wandel der Zeit, die Macht und Schaffenskraft des Wassers und gleichzeitig eine hohe Kontinuität abzubilden. Wie umfangreich muss die Schaffenskraft all derjenigen Musikaffinen, Musikanten und Musikschaffenden sein, die ebenfalls an Seen und Flüssen wohnen? Wie viele Werke mit deutlicher Wasserinspiration sind entstanden, vielleicht aber niemals überliefert worden? Wasser ist ständig auf Reisen, wie viele Melodien sind mitgereist? Ähnlich wie diese nicht einschätzbare Masse an Wasser und all die Wege, die es nehmen kann, ist die Vielfalt an Inspiration, die man aus tropfenden, rauschenden und regelmäßig ans Ufer schwappenden Wassergeräuschen für eigene Interpretationen ziehen kann. Besonders faszinierend für Jung und Alt sind die konzentrischen Kreise, die vielen kleinen Wellen, die von einem ins Wasser geworfenen Stein ausgehen. Im Wasser kann man Wellen sehen, Töne übertragen sich durch die Luft, beides – Klang und Luft – sind da, aber nicht greif- und sichtbar. Dass sich Wasser und Luft als Elemente gegenseitig inspirieren und in Musik Umsetzung finden, liegt vielleicht an den unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen, die wir Menschen nun einmal mitbringen.

Besondere Atmosphäre – Der Biergarten am See

An einem dieser besonders atmosphärischen Orte werden ständig Steine geflippt, geflitscht oder hüpfen gelassen. Unter alten Kastanienbäumen sitzend, ein Hofbräu-Bier oder anderweitig prickelndes Getränk vor sich stehend, beobachtet man häufig diese Szene an der Herrschinger Seepromenade. Direkt an der Uferkante und ein paar Meter landeinwärts, erstreckt sich der Biergarten des Seehofs in Herrsching mit Blick auf den Ammersee und den Schiffsanleger. Im Sommer spielen jeden Sonn- und Feiertag unterschiedliche Volksmusikgruppen, Musikkapellen und Bands – natürlich insofern das Wetter mitspielt an diesem so wechselvollen See.

Raddampfer Herrsching und musikalische Biergartenatmosphäre beim Seehof am Ammersee.

Am ersten Freitag im Monat lebt der Ort besonders auf: es ist Musikantenstammtisch. Über Jahre hatte sich der Stammtisch institutionalisiert, dauerte teils 24 Stunden am Stück und es ranken sich unzählige Legenden und Geschichten rund um den Seehof und die immer wieder anwesenden Musikanten. Nach der lästigen Pandemie wurde der Musikantenstammtisch wiederbelebt, offen für alle und dadurch in immer etwas anderer Besetzung. Im sommerlichen Biergarten sammeln sich am ersten Freitag des Monats sukzessive die Musiker, bis eine spielbare Besetzung besteht. Die schiere Freude, wenn beispielsweise ein bis dahin fehlender Bass- oder Melodiespieler sich nähert, ist unermesslich. Und dann ist da diese besondere Atmosphäre, die Mischung aus Blick auf den See, die Beobachtung, wie weit der Klang trägt, kühler werdende Temperaturen und dann der Sonnenuntergang. Häufig fühlen sich die Musiker dazu verleitet, Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt anzustimmen, wenn es so weit ist und die Handys gezückt werden. Musik an einem touristisch geprägten Ort unweit des Schiffsanlegers verleitet regelrecht dazu, Klischees zu erfüllen. Und trotzdem ist es authentisch, denn weder Gäste noch Einheimische, Zuhörer noch Mitspieler, können sich dem Zauber des Sees entziehen. Es ist ein gern gepflegter und nahezu zelebrierter Musikgenuss beiderseits.

Fahrt mit der Zille auf die Roseninsel

[Foto: Thomas_Marufke]

Auch andere Sonnenuntergangs- und Biergartenhymnen werden spontan angestimmt und manchmal kommen besondere Stücke zu Gehör: nicht nur selbstgemachte Musi, sondern eigens komponierte Boarische, Walzer oder ­Zwiefache. In der Nähe des Sees muten sie vielleicht häufig als vom Wasser inspiriert an. Man lauscht den eingängigen, neuen Melodien, sie fließen wie von selbst und erfordern als Begleitmusiker besonders hohe Aufmerksamkeit. Und wenn man genau hinhört, sind da die Hintergrundgeräusche, vor allem Menschen, aber auch ein geflippter Stein. »Plopp«, und die Wellen ziehen ihre Kreise, wie die Schwingungen der Musik, nur dass man sie im Falle des Wassers sehen kann. Vielleicht sollten wir alle etwas häufiger Steine hüpfen lassen, den Wellen zusehen und uns generell vom Wasser mit all seinen Facetten und als Teil des Ganzen inspirieren lassen.

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Aufmacher:
Ammersee

Foto: Stefan Stimpfle

Zur Autorin

Dr. des. Dorothea M. Hutterer M. A. ist Historikerin, Sprachwissenschaftlerin und Musikerin mit jahrelanger Erfahrung in der Museums- und Archivarbeit. Nicht nur in bayerischen Archiven hat sie bemerkenswerte Altkarten recherchiert, auf deren Spuren sie im Gelände unterwegs ist. Neben kulturlandschaftlichen Wanderungen und Vorträgen zur Kartographie und historischen Landnutzung gehören vor allem Themenführungen in bayerischen Schlössern zu ihrem Schwerpunkt.

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